Sonntag auf Montag
50 Leute, die meisten Einwohner von PSF (Pisco Sin Fronteras) haben das Wochenende in Wakachina verbracht, gefeiert und vermutlich auch Alkohol konsumiert. Die Nacht ist sehr ruhig.
04:00 Uhr
Aus dem Bad direkt neben meinem Bett kommen undefinierbare Geräusche. Per Gehör analysiere ich, dass die Stadt das Wasser in unserer Sektion wieder eingeschaltet hat, der Klospülkasten füllt sich mit Wasser. Es plätschert und gurgelt. Das ist vorteilhaft, denn somit kann ich am Morgen die Toilette benutzen, ohne Angst haben zu müssen, dass mein "Abfall" den nächsten Nutzer schwimmend begrüßen wird.
06:00 Uhr
Vor dem Haus wird laut gehupt. Ein Hund bellt sich die Kehle aus dem Hals und animiert circa 20 weitere Hunde dazu es ihm gleich zu tun. Lastwagen rumoren die Straße entlang, Verkäufer fangen an ihre Waren anzupreisen. Sie tun dies durch lautes Hupen mit Handhupen. Tuk-Tuks, Autos, Fußgänger, Hunde. Ein Lärmkonzert. Jetzt stecke auch ich mir Ohrenstöpsel ein.
07:20 Uhr
Ich werde von Nadège aus meinen Träumen gerissen, in die ich schließlich doch noch gefallen bin. Im allerersten Moment erkenne ich sie nicht. Mein Magen rumort ein wenig, tut aber nicht weh wie ich erleichtert festelle. Ich benutze die Toilette und spüle, wasche mir den Hintern und den Rest unten. Dann Hände und das Gesicht. Der Wasserfluss aus dem Hahn wird spärlich, rasch schütte ich mir noch zwei Handvoll Wasser über den Kopf.
08:00 Uhr - Morning-meeting
60 Leute haben sich in unserem Hof versammelt. Ein junger Mann begrüßt uns. Die Neuen stellen sich vor, also auch wir. Sprache ist Englisch. Alle sprechen fließend Englisch, davon wird ausgegangen. Viele sind Muttersprachler. Der junge Mann fordert jemanden von den Anwesenden auf, den Unterschied zwischen "Hippies" und "Monsters" zu erklären. Hippies sind Vegetarier, Monsters sind Fleischesser. Alle Hippies heben die Hände, es sind 16 Personen. Die Monster zählen durch, wir kommen auf 46. Wir sind also insgesamt 62 Personen. "Neuer Rekord" sagt jemand.
TBC, einer der schon länger hier vor Ort ist, stellt an der Tafel die Projekte des Tages vor. Daneben steht immer eine Zahl. Sie steht für die Anzahl an Leuten, die an diesem Projekt benötigt werden. In einer zweiten Spalte steht der Name der Person, die vor Ort der Projektleiter ist. Die Projektleiter werden gebeten ihr Projekt kurz vorzustellen. Nachdem alle 10 Projekte kurz erklärt worden sind geht die Frage an die Runde, wer wo eingesetzt werden möchte. Ich melde mich für "The French Bedrooms", größtenteils Holzarbeiten. Extrapositionen sind 2 Küchengehilfen und 3 Leute, die die Häuser aufräumen, Bäder putzen, fegen, etc.. Carolina, eine Schwester von Harold, dem "Boss" ist die gute Seele. Sie kümmert sich mit den zwei Gehilfen um das Abendessen. Es wird gefrühstückt. Es gibt Rührei, Hörnchen aus der Packung, Marmelade, heißes Wasser für Tee und Trockenkaffee.
09:00 Uhr
Zweiter Toilettengang, Zähneputzen, Sachen packen. Arbeitsklamotten an. Handschuhe, Akkuschrauber, Wasser in einen Eimer, Leatherman an die Hose. Es kann losgehen. Für die "Frensch Bathrooms" haben sich 8 Leute gemeldet. Wir steigen mit unserem Werkzeug auf die Pritsche des auseinanderfallenden Transporters, der nichtmal in Portugal eine Straßenzulassung bekommen würde. Drei Leute sitzen vorne, wir hinten.
09:30 Uhr
Die holprigen Straßen durch Pisco, bis zum "Cruz" (Kreuz), an dem wir am Samstag aus dem Langstreckenbus ausgestiegen sind. Auf die Panamericana. Wir biegen in einer Siedlung auf eine ausgewaschene Sandpiste. Es geht durch verfallene Häuser, die Menschen sehen uns neugierig und freundlich an. Die Kinder lachen und winken, "Los Gringos, los Gringos!" Die Ausländer, die Ausländer! Ca. 20 Minuten lang die Holperpiste entlang. Ich sitze hinten in einer hochgestellten Schubkarre.
10:00 Uhr
Wir haben unser Ziel erreicht. Aus einem Holzschuppen holen wir unsere Arbeitsmaterialien, Holzlatten, Bretter, Nägel, Draht. Der Schuppen ist gleichzeitig der Treffpunkt für die örtliche Bevölkerung, Lagerraum, Verkaufsladen und Schule. Vorne steht eine Tafel und ein paar Stühle. In der Ferne sind zwei bis drei Peruaner zu sehen, ansonsten ist der Ort menschenleer. Überall liegen Trümmer und Steinbrocken herum. Wenig Abfall. Abgemagerte Hunde.
10:00 - 12:00 Uhr
Die "French Bathrooms" sind vier Mauern, quadratisch angeordnet. Das Quadrat ist in der Mitte durch je zwei Mauern in vier kleine Kammern geteilt. Auf Zementboden. Es sollen zwei Duschen und zwei Klos werden. Abflüsse sind bisher nicht zu erkennen. Ganz nach dem Prinzip von PSF liefern die Anwohner, bzw. Die Stadt die Materialien, PSF die Arbeitskraft. An den vier Außenecken sollen Betonpfeiler gegossen werden. Unsere Arbeit besteht darin die Einschalung vorzubereiten. Dazu müssen die Bretter entsprechend vorbereitet werden. Die Materialien sind schlecht, müssen präpariert und mit Querbalken stabilisiert werden. Die Säge ist so stumpf, dass ich mit der Säge vom Leatherman säge. Der Job zieht sich. Ab 11:00 Uhr fängt die Sonne an, auf unsere Häupter zu brennen.
12:30 Uhr
Mittagessen. Wir gehen 100 Meter zu einem kleinen Verschlag. Essen wird wie vereinbart von den Einwohnern geliefert. Dieser Deal gilt an fast allen Arbeitsstationen. Hunde lungern hungrig herum. Es werden Tuppertöpfe mit je einer Portion herausgereicht. Der Teamleader ist Spanier. Sein Job: Bauingenieur. Reis mit Hühnchen und etwas Gemüse. Es ist gut! Die Hunde betteln, sind aber nicht aufdringlich. Total abgemagert und zerstaust, wie alle Hunde die herumlungern.
13:00 Uhr
Pause, relaxen in der Sonne. Ab und zu fährt ein klappriges Auto oder ein LKW vorbei.
13:30 Uhr
Zurück zur Arbeit. Wir versuchen die Bretter in ihre Positionen zu bringen. Das gelingt nur mäßig, es fehlt an stabilem Draht um die Schalbretter aneinander zu binden. Puzzelarbeit.
16:30 Uhr
Der Transporter holt uns wieder ab. Aufsitzen, Holperfahrt. Sooo anstrengend war das nicht, aber heiß!
17:00 Uhr
Relaxen im Basiscamp. Nadège kommt vom "Mountain". Aus einem Kalkberg muss mit Spitzhacken, Schaufeln und Schubkarren ein Rechteck herausgehauen werden, in welches am Ende ein Haus passen soll. Absolute Knochenarbeit, "aber gute, ehrliche, harte Arbeit" sind sich alle einig. Nadège ist fertig aber nicht unglücklich.
18:00 Uhr
Abendessen. Reis ist die Basis, dazu Gemüse, Hühnchenfleisch. Es ist gut und reichlich. Ich habe an der Bude gegenüber Bier gekauft. Einige Anwohner in der Siedlung haben erkannt, dass mit den Freiwilligen Geld zu verdienen ist. Es gibt eine "Cakelady", (Kuchenfrau) die den ganzen Tag köstliche Kuchen backt. Schokoladen- und Vanillekuchen, ein Gedicht! Und eine Hamburgerfrau, bei der 24 Stunden für wenig Geld ein Hamburger zu haben ist. Die "Bude" liegt direkt neben dem Basecamp. Zigaretten, Chips, Wasser, Bier. Ein halber Liter für 3,5 Soles, ~1 Dollar, ~0,80 Euro.
20:00 Uhr
In Gruppen sitzen, quatschen, sich gegenseitig den Tag erzählen.
22:00 Uhr
Schlafengehen. Es tut gut, ich freue mich aufs Bett, und Nadège kann es kaum erwarten!