Samaipata ist die kleine Plaza Central, wild bepflanzt mit hohen Bäumen und Sträuchern bunt durcheinander gewürfelt, sternförmig durchzogen von Brunnen und Wegen mit Bänken auf denen abends Jugendliche balzend und kichernd flanieren und zaghaft kuscheln, die Plaza, die umgeben ist von der Kopfsteinpflasterstraße auf der die Reichen ihre Geländewagen präsentieren, die Plaza mit den Hunden, dem buntgefleckten Großen mit seinem Freund dem kleinen Spitz immer Seite an Seite auf der Suche nach Touristen, die um Streicheleinheiten und um eine Ecke Empanada angebettelt werden können, die Plaza mit dem Restaurant Chakana mit hausgemachten Hamburgern und Pommes, Lasagne und Spaghetti Bolognese, dem von dem Ostdeutschen betriebenen La Vaca Loca mit Gulasch, Eis und Kohlberg Weißwein.
Samaipata ist die drei Hügelketten, über die sich Schottersandstraßen im rechten Winkel zur Hauptstraße ziehen, mit dem Familienbetrieb auf einem der Hügel, "Hotel Paola, 24h", dem kleinen Museum, dem Haus des Biologen und Touristenführers Michael Blendinger, der Touragentur Roadrunner und den drei oder vier Kiosken mit Eis und kalten Getränken.
Samaipata ist das Centro Cultural, betrieben von der ständig lächelnd in tiebraunem Gesicht ihre Reihen Goldzähne zeigenden Señora und Falco, dem Boxer der sich taeglich neue Gesichter und die dazugehörigen Gerüche merken muss und den zwei Katzen, eine schwarz, eine weiß-beige-grau und den kleinen undekorierten Zimmern mit gerade einmal zwei Betten, gepflegt und bequem.
Samaipata ist die durch hohe Sicherheitszäune abgetrennten Siedlungen mit fein säuberlich geschnittenem Rasen um die riesigen Neubauten in US-amerikanischem oder europäischem Stil mit Gärtner, Köchin, Haushälterin und Kinderfrau, abgelegen und nur auf den zweiten Blick sichtbar.
Samaipata ist die Gruppe Geier, die schweigend jede Brise nutzend ihre immerwährenden Kreise höher und höher in den Himmel ziehen, herabrauschen und als Schatten auf dem Weg vor Dir auftauchen mit Spannweiten von zwei Metern.
Samaipata ist der Soldat mit Maschinengewehr und Pistole im Halfter, der vor der Bank ohne Automat täglich um 8:00 Uhr Posten bezieht, die Bank in der man ansteht und mit Visa-Karte und Pass in umständlicher Prozedur mit bis zu vier Unterschriften Geld ausgehändigt bekommt, die Bank, in der die kleinen Fliegen um Augen und Nase schwirren, die bei Biss kleine blutende Flecken hinterlassen.
Samaipata ist die Wahlkampffiesta bei der Motorräder, Jeeps und Lastwagen mit johlenden Fahnen schwenkenden Kindern, Junggebliebenen und Salsa dröhnenden Riesenlautsprechern bestückt ein um die anderen Runde um die Plaza drehen, ihren jeweiligen Kandidaten anpreisend, die Wahlkampffiesta, die von allen glücklich als willkommene Abwechselung zum Alltag angenommen wird, die Wahlkampffiesta bei der die Kinder den abziehenden Lastwagen nach ihrer letzten Runde traurig hinterherblicken, ihres kurzen Vergnügens beraubt.
Samaipata ist die von Franzosen betriebene Bäckerei, zum Frühstück um halb zehn von französischen und deutschen Wortfetzen überfüllt mit fischem Kaffee aus der Drückkaffeemaschine, pro Tasse eine, warmen Croissants, warmen Baguettes, hausgemachter Erdbeermarmelade und reichlich Butter, Aquarelle an der Wand als Verkaufs- und Ausstellungsobjekte, Blumen, Gemüse, Frösche und Abstraktes in verwischten Farben, hellblau und rosa wie der Abendhimmel ueber Samaipata.
Samaipata ist Ruhe. Die Ruhe nachts im Bett, nur umgeben vom leisen Zirpen der Grillen und einem in der Ferne bellenden Hund. Der Sternenhimmel der sich über uns zur Flasche Rotwein und Baguette zum Einschlafen aufspannt.
Samaipata, das ist das Träumen und das nutzlose, ungetrübte, träge, schamlose Nichtstun.